ZÄRTLICHKEIT - meine erste Liebe.
Der Volksmund sagt:
Seine erste Liebe vergisst man nicht, aber man heiratet die wahre Liebe.
Ich, für meinen Teil, kann diese Aussage nur bestätigen. Ich muss wohl 12 oder 13 Jahre
gewesen, als ich auf leisen Sohlen über den Hof meines Onkels zum Hühnerstall schlich,
um dort vorzufinden, was ich gehofft und erwartet habe.
Angestrahlt von einer Infra-Rot-Lampe hüpften 10 kleine gelbe Wollknäuel piepsend und
ausgelassen in ihrem „Auslauf“. Lebensfreude pur und doch gerade erst im Leben
angekommen! Eine Infra-Rot Lampe wärmte das noch flauschige Gefieder und hätte
auch als „Sonnenbank“ durchgehen können. Und in der Mitte die Mutter der Küken, eine
aufmerksame und fürsorgliche braune Glucke.
Ich setze mich auf den Rand der Einfriedung, und nehme mir das gelbe Küken aus der
Mitte, von dem ich glaube, dass es mir schon gestern verliebte Blicke mit seinen dunklen
Knopfaugen zugeworfen hat, ein Wunsch, an dem ich gerne glaube…
„Du mußt keine Angst haben, kleiner Kerl, ich habe viel mehr Angst, dir weh zu tun, als
du vor mir haben mußt. Ich tue dir nichts!“
„Ich habe zwar Angst, trotzdem bin ich kein Kerl, sondern bin schon fast eine
erwachsener Teenie und werde in einer Stunde schon 2 Wochen alt, quasi „volljährig“.
Ich nehme mir also besagtes Wollknäuel ohne feste Konturen mit dem federleichten
Samtkleid und streichele ihm den Kopf und den Rücken. Und als ich auch meine Lippen
an dieser Zärtlichkeit zeilnehmen lasse, in dem ich zärtlich seinen Bauch küssen will,
muss es dieses wohl gründlich missverstanden haben, denn sein spitzer Schnabel pickt
mir in die Nase und mahnt so zu Anstand.
„Was denkst du von mir? Ich bin doch kein Küken für die erste Stunde!“
„Okay, dann bis morgen, kleiner gelber Flaum.“
„Nein, bleib schon hier, war nicht so gemeint!“ Und strahlt mich dabei mit seinen
verliebten Knopfaugen an. Da bin ich mir sicher oder habe ich es mir nur gewünscht?
Aber dann flüstert mir jemand zärtlich ins Ohr:
„Ich wusste gar nicht, dass erwachsene Hühner so zärtlich sein können.“
„Ich bin ein Hahn!“ antworte ich ebenso zärtlich und leise.
„Und was ist der Unterschied?“
„Da frag lieber deine Mutter! Sie hat zehnfache Erfahrung!“
Damals wußte ich nicht, dass ich eine der schönsten Erfahrungen meines Lebens
gemacht habe, ich bin der Zärtlichkeit begegnet. Und so habe ich meine erste Liebe
fortan genannt: Zärtlichkeit.
Aber diesem gelben Wattebausch habe ich auch eine Lebensweisheit verraten.
Kommt irgendwann ein stolzer Hahn auf euren Hof, hält um dein Pfötchen an und fragt dich:
„Was darf ich dir zu Hochzeit schenken?“
Dann antworte: „Schenk mir einfach meinen Namen: Zärtlichkeit!“
Anwortet er dann: „Zärtlichkeit ist einerseits ein außergewöhnlicher Name, andererseits das
schönste Gefühl für die Seele und das wirst du ein Leben lang bei mir spüren.“
Spricht er so, sag „Ja“ zu ihm, denn lebenslange Zärtlichkeit bedeutet lebenslange Liebe.